Clash Clash Bang Bang
„Der
mittellose Erfinder Caractacus Potts kauft seinen Zwillingen Jemima und
Jeremy zuliebe vom Schrottplatz das Wrack eines einst für Rennsportzwecke
genutzten Autos. Eifrig wird der Wagen repariert, auf Hochglanz poliert und
aufgrund seiner merkwürdigen Motoren- und Auspuffgeräusche Tschitti Tschitti
Bäng Bäng getauft.Bald stellt
sich heraus, dass der Wagen einiges mehr auf Lager hat als ein normales
Auto.“
Das
Polyester: Panton Ära und Poetry Slam.
So habe ich es vor vielen Jahren
nur einmal flüchtig kennengelernt. Ein Ziel für den diesen Samstag galt es
nun zu
finden und eine herrlich skurrile Veranstaltung ließ überraschend ebendiesen
Polyesterklub mit K ganz oben auf der Liste erscheinen: rot, eisblau, grün
und goldbraun strahlte mich das fantastisch schräge Weltraumheldenquartett
der mir noch gänzlich rätselhaften Kultursparte an. Ich überflog schnell die
knappen Informationen über musikalische Aliens, Raumschiffe und ja, ich kam
aus dem Staunen nicht mehr heraus, Hörspiele und legte mir jedoch besonders
angesichts des mir ins Auge stechenden grünen Protagonisten, der auf mich
wirkte als sei er die uneheliche Tochter/ Sohn von Susanne und Plumpaquatsch die Stirn in
Falten sowie auch bereits einige Erklärungen zurecht, falls der Abend in den
Augen meiner Begleitung vielleicht etwas aus dem Niveauruder laufen sollte.
Ich erwartete schlichte Chansonniers-Unterhaltung mit ein wenig affektierter
Dragqueencomedy und mediokrem Liedermachergut nebst Akustikgitarre und
latent schrillem Blödel-Humor. Das jedoch, was ich tatsächlich erlebte, war davon
weit, weit entfernt…
Pünktlich ging die Reise durch die Galaxis los:
vier Musiker in fantasievollen, sehr unterschiedlichen Kostümen betraten die
Bühne vor „Qualitätspublikum“ im familiären Rahmen. Im geradezu
alleinerziehend-familiären Rahmen, um es mal beim Namen zu nennen. Die
Szenerie wirkte auf mich hier im beschaulichen Oldenburg im Wortsinn wie von
einem anderen Stern und ich war augenblicklich dezent verstört-entzückt:
Eine männliche Gamora in Hotpants, unter blonder Perücke mit leuchtend
grünen Fingerhandschuhen und entsprechend sorgfältig gefärbtem Gesicht nebst
grünen Beinen in hohen Stiefeln spielt kernige E-Gitarre sowie zarte E-Geige
und bringt für maximalen Kontrast die dunkel verzerrte, mitunter geschickt
geloopte Roboterstimme mit ein (Gasher
the 14th of Greenskull). Ein beeindruckender Lenny-Kravitz-Klingone gibt
das Dr.-Teeth’sche Animal an den electronischen Percussions (Alexej
zu Setitov). Wild and frenzy at it’s very, very best. Die Keyboards
sowie ein durch Gesten gesteuertes, themerinartiges Gerät werden virtuos
gespielt von einer exotischen Anime-Heldin, die auch mit rot glitzerndem
Spacesuit alle Blicke auf sich zieht und sicher nicht nur Towa Tei den Atem
stocken ließe (Faye Silkyway). Der
Gesang wird dargeboten von einem weiblichen Androiden, der offensichtlich
die besten Ideen von Daryl Hannahs Replikant Pris sowie dem Tertiary Adjunct
of Unimatrix 01 großartig für sich kombinierte (Lia
Hell).
Nachdem einige herrlich an lange vergangene Ehapa-Zeiten
erinnernde Hörspiel-Zeilen noch den durchaus erwarteten ersten Rahmen dieses
Auftritts absteckten, rauschte akustisch sogleich die Reise in ungeahnte
Höhen empor im gleichen Maße wie mir der Unterkiefer vor Erstaunen nach
unten sauste: Drums, Gitarre und Keyboards krachten so retro-elektrisierend,
dass es eine Wucht war, die völlig unerwartet auf mich hereinprasselte. Die
Lichteffekte wirkten erstaunlich gut abgestimmt und auch die Tontechnik war
äußerst beeindruckend für mich. Neben dem kernigen Set der Instrumente kam
dann natürlich noch der Gesang ins Spiel und sorgte wohin ich auch schaute
augenblicklich für verblüffte Gesichter: was da an Brillanz und Kraft von
der Bühne erschallte, ist kaum in passende Wort zu fassen.
Die Band legt mit viel Spielfreude ein
komplettes, professionelles Set von Songs aufs Tapet: Melancholie-,
Minimalismus- und Tempowechsel- sowie peitschende Dancefloornummern wurden
geschickt kombiniert und immer wieder von kleinen, pittoresken
Hörspielepisoden und Publikuminteraktion (inklusive einer Fabel von
Goldasteroiden als Irrlichter des Strebens und einen das Publikum umarmenden
Ben Grimm) eingefasst.
Die Stilbezeichnung „Electroclash“ war mir
bis dahin nicht geläufig. Ich habe jedoch seit vielen Jahren stets einige,
wenige Musikstücke/ Stile besonders gemocht: Tigas Sunglasses At Night,
Tomcrafts Loneliness, Kraftwerk, Karl Bartos, Anne Clark, New Order, Jimi
Tenor, Ilsa Gold und Mikron 64- Electroclash greift für mich somit einige
der faszinierenden Aspekte dieser Stile auf und scheint treffend ein Genre
zu benennen, das meine nun neu mit einem Label etikettierte Vorliebe
darstellt.
Electroclash bietet viel Freiraum für Spaß, „da viele
Interpreten nicht zu ernst genommen werden wollen.“ (https://de.wikipedia.org/wiki/Electroclash):
dieses Konzept ist hier perfekt aufgegangen: Ausstrahlung, detailverliebte,
aufwendige Kostüme (inklusive irritierender Kontaktlinsen und einer nur kurz
getragenen und daher umso mehr irritierenden Gesichtsteilmaske) und Humor
sind in gleichem Maße beeindruckend wie die Professionalität und Frische der
Musik. Ich habe mich selten besser unterhalten gefühlt als an diesem Abend.
Vielen Dank dafür an diese tolle Truppe von
Clash Clash Bang Bang, die
urbane Musikkultur ganz aus dem hippen Berlin bis nach Old-enburg brachten.
Clash Clash Bang Bang live in concert in Oldenburg am 01.12.2018
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Dunkle Seite Der Macht!